Die Prinzessin auf dem Kürbis

Bilderbuch des Monats Mai
Heinz Janisch (Text) und Linda Wolfsgruber (Illustration): Die Prinzessin auf dem Kürbis
Verlag Jungbrunnen 2016
ISBN: 978-3-7026-5901-1
Ein Märchen – ganz nach meinem Geschmack! Heinz Janisch verwendet die meisten Märchenmerkmale und macht daraus eine moderne Geschichte, in der sich die Charaktere durch ein gesundes Selbstbewusstsein und erfrischende Emanzipation auszeichnen.
Der Prinz ärgert sich nach der Hochzeit des Nachbarprinzen über dessen empfindliche und ständig jammernde Braut – allen bekannt als „Prinzessin auf der Erbse“ – und beschließt: „Ich will eine Prinzessin, die etwas aushält!“ Gesagt – getan: Er verschanzt sich in seiner Burg und lässt eine mögliche Heiratskandidatin über eine Strickleiter zu sich kommen, gibt ihr nur Wasser und Brot und lässt sie auf einer Matratze schlafen, unter der ein großer, runder Kürbis liegt. Eine Prinzessin schafft es, lässt sich durch nichts beirren und schläft sogar wunderbar, wie sie selbst sagt. Daraufhin ist der Prinz – wie in Märchen so üblich – schnell mit einem Heiratsantrag zur Stelle, den die Prinzessin aber mit den Worten ausschlägt: „So einfach geht das nicht. Eine echte Prinzessin will verdient sein.“ Und so muss sich der Prinz noch ein wenig ins Zeug werfen. Aber nicht irgendwelche Mutproben sind gefragt, sondern die zärtlichen und feinen Züge des Prinzen imponieren der Prinzessin, die ihrerseits wiederum zeigt, dass sie selbständig anpacken kann und kurzerhand beginnt, den Turm und die Burgmauer zu verschönern. Natürlich wird Hochzeit gefeiert (sonst wäre es ja kein Märchen!) und natürlich ist auch die Erbsen-Prinzessin geladen. Im Unterschied zu ihr, die vom ersten Fanfarenstoß der Turmbläser bereits Schnupfen bekommt, genießen der Prinz und seine Prinzessin das Fest in vollen Zügen und tanzen – möglicherweise noch bis heute.
Die gebürtige Südtirolerin Linda Wolfsgruber ist in der Bilderbuch-Szene äußerst bekannt und nicht mehr wegzudenken. Die vorliegende Illustration ist eine farbig angelegte Malerei mit Kratzspuren, eventuell durch eine Kaltnadelradierung. Die Bilder sind bunt, lassen Emotionen deutlich werden (der fliegende Stiefel, als der Prinz sich über die empfindliche Nachbarprinzessin ärgert) und sind doch auf das Wesentliche reduziert. Mit vielen kleinen Details überrascht sie über den Text hinaus. Trotzdem lässt sie Fantasie des Betrachters zu, sie geht mit Perspektiven etwa recht freizügig um. Sie ergänzt den Text von Janisch sehr gut und beiden ist es gelungen, die Balance zwischen traditionellem Märchen und witzig-frechen Sprüchen/Bildern zu finden.
Beide Protagonisten sind in ihrem „Wissen was sie wollen“ liebenswert und zu keine Zeit arrogant oder überheblich – ganz im Gegenteil: der feinfühlige Prinz, der vor lauter Sorge nachts nicht schlafen kann, weil er die Prinzessin auf eine so harte Probe stellt, und die unkomplizierte Prinzessin, die die Antenne hat für das Sensible ihres Prinzen, wirken in ihren Rollen so natürlich und lassen dadurch das Thema der partnerschaftlichen Emanzipation ohne erhobenen Zeigefinger mit einem Lächeln verstehen.
Das Bilderbuch wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis.
Ein Bilderbuch, das zurecht einen zweiten und auch weiteren Blick wert ist ….
(Regina Rüscher-Christler)