Bilderbuch des Monats April

Anna Boulanger: Papa ist doch kein Außerirdischer!
Aus dem Französischen: Anne Thomas
Kunstanstifter Verlag 2016
ISBN: 978-3-942795-43-2
„Jedes Wochenende bin ich bei meinem Papa“ Das trifft wohl auf viele Kinder zu. Welche Bezeichnungen die anderen – lauter Erwachsene – für seinen Papa haben, zählt im fast zärtlich illustrierten Bilderbuch der Junge Theo auf: Warmer, vom anderen Ufer, im Hoch- und Tiefbau tätig ... Theo nimmt diese Begriffe sachlich nüchtern und erklärt sie von ihrer ursprünglichen Bedeutung her und damit werden sie „harmlos“. Als er sie seinem Papa erzählt, muss dieser zuerst zuerst lachen, wird aber doch ein bisschen sauer und erklärt es Theo. So schließt die Geschichte ganz lapidar: „Die ganzen Sachen, die ich gehört habe, bedeuten einfach nur, dass mein Papa schwul ist. Das heißt, dass er Männer liebt.“
Anna Boulanger schafft es, inhaltlich Sprache und Bild fast ineinander verschmelzen zu lassen. Die äußerst feinen Tuschezeichnungen, zum Teil leicht koloriert, sind wie Vignetten angeordnet – meist drei nebeneinander, manchmal auch nur eines allein. Auffallend ist die Zurückhaltung der Bilder – sie nehmen nicht viel Raum ein und wirken wahrscheinlich genau deshalb sehr. Der Papa ist in Schwarz von der Seite wie ein Scherenschnitt gezeichnet – die Farbe Rot stellt zu den schwarz-grau-weiß gehaltenen Bildern einen guten Kontrast. Auch die Bilder untermauern die ursprüngliche Bedeutung der landläufigen Bezeichnungen für Homosexuelle. Auch am inneren Buchumschlag kann man die jeweilige Definition dafür, wie sie in einem Lexikon stehen könnten, nachlesen.
An sich handelt es sich bei diesem Buch um eine Übersetzung aus dem Französischen. Man kann sich aber gut vorstellen, dass die Wörter, die im Volksmund gebraucht werden, in beiden Sprachen sehr unterschiedlich sind. Deshalb ist es wohl eines der wenigen Bilderbücher, die fast neu illustriert werden mussten, um das Gesamtensemble zu bewahren. So hatte die Übersetzerin Anne Thomas eine wichtige Autorinnenaufgabe übernommen.
Das Bilderbuch schafft es Vorurteile nicht nur anzusprechen , sondern die doppeldeutigen (und verletzenden) Bezeichnungen, die vielfach als Schimpfwörter gebraucht werden, zu enttarnen, zu entkräftigen und ins Absurde zu führen. Die Klarheit, mit der Theo das Schwulsein seines Papas anspricht, ist wohltuend.
Ein Bilderbuch, das zurecht einen zweiten und auch weiteren Blick wert ist ….
(Regina Rüscher-Christler)
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